Integration heißt Zusammenfügen und ergänzen. Aber was ist es genau? Eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit einer Wunsch- und Soll-Vorstellung.
Rund um die wissenschaftliche und öffentliche Debatte um das Verständnis von „Integration“ gibt es keine einheitliche Begriffsdefinition. „Integration“ deckt eine Bandbreite von Vorstellungen ab: von der totalen Anpassung an die Gesellschaft – Assimilation – bis hin zur multikulturellen Gesellschaft und zur Sichtweise, dass Integration von Seiten der Minderheits- und Mehrheitsgesellschaft angestrebt werden sollte.
Der Weg zur Einheit
Integration kann auch als ein dynamischer Prozess des Zusammenfügens zweier Teile oder als statischer Zustand einer geglückten Verbindung gesehen werden. Diese Annahme kann auf eine Gesellschaft übertragen werden, in der einzelnen Gruppen oder Einzelpersonen zusammenleben bzw. zusammenfinden.
Hinter dem Integrationsbegriff steht die Annahme einer ursprünglichen Einheit. Darum kann Integration als Prozess des Zusammenfügens und als Zustand der (Zustande gekommenen) Verbindung gesehen werden.
Integration als Prozess
Gegen eine Integration als „Zustand“ oder „Ziel“ spricht sich der Soziologe Petrus Han aus. So wie der vollzogene Ortswechsel nicht der Endpunkt der Migration ist, ist die Integration nicht das Ende der Reise. Han schreibt in der „Soziologie der Migration“ davon, dass „(…) der wesentlich zeitintensivere und schwierigere Teil der „inneren psychosozialen Migration“ erst nach der „äußeren physischen Migration“ beginnt.“ (Han, 2000, 8) Die Entscheidung zur Migration bzw. Auswanderung enthält die Bereitschaft sich neu zu orientieren. Mit dem Ortswechsel entsteht auch ein Wechsel an sozialen Normen, Lebensmustern und Kultur.
Für die Integration, also das Einfinden in eine neue Gesellschaft, ist es ein Unterschied, ob sich Menschen auf Grund von Arbeitsmigration oder erzwungener Migration – wie Flucht – in einer neuen Umgebung zurechtfinden müssen. Aus den jeweiligen Migrationsformen ergeben sich unterschiedliche Bedürfnisse und Integrationsmechanismen.
Integration als umstrittener Begriff
Integration hat ein Ziel, die Einbindung neuer Gruppen in ein gesellschaftliches Gefüge und die eRhaltung einer stabilen Gesellschaft. Dabei geht es:
-
- objektiv um die Teilhabe an Teilsystemen, wie Bildung, Arbeitsmarkt, Politik, Recht usw.
- subjektiv um die Entwicklung von Zugehörigkeitsgefühlen
Kochabend mit Habibis. Das Flüchtlingsprojekt der Pfarre Franz von Sales verbindet Deutschlernen, Kochen, Austausch und Genuss. Die Habibis – die ehrenamtlichen HelferInnen – bieten Deutschkurse, eine Kleideausgabe und Sozialberatung mit Arabisch-Dolmetsch an.
Gesucht, die gelungene Integration
Wann ist einE MigrantIn integriert? Sobald jemand beruflich und sozial integriert scheint, ist er gelungen integriert? Sobald eine Frau Hijab trägt ist sie es nicht?
Integration braucht nicht die vollkommene Aufgabe der eigenen kulturellen religiösen und sozialen Muster. So kann eine Person integriert sein und trotzdem emotionale Bindungen zum Heimatland pflegen, etwa durch Traditionen oder Kontakte. So ist die kulturelle Assimilation und Identifikation mit dem Einwanderungsland gleichzeitig kein notwendiger Indikator für eine gelungene Integration. Provokant formuliert: Das Tragen eines Dirndls oder einer Lederhose muss kein Zeichen einer gelungenen Integration sein. Gleichzeitig ist die emotionale Bindung an die Herkunftskultur, durch Sprache/Traditionen/Sitten kein Hindernis für die Eingliederung in eine Gesellschaft.
Integration ist in mehrfacher Hinsicht eine Herausforderung: Der Prozess verlangt eine Öffnung und Eingliederung von Ankommenden und Aufnehmenden, kann über Generation hinweg andauern, ist ein offener Prozess. Das Ziel bleibt dabei undefiniert.
Dazu kommt, dass MigrantInnen, die auswandern und im Zuge der Globalisierung nach einer neuen Heimat suchen, mehrheitlich ärmer sind und in der Aufnahmegesellschaft selten und schwerer sozial aufsteigen können. Als Gründe für diesen erschwerten sozialen Aufstieg nennt Buttwege Stigmatisierung, Kriminalisierung und Marginalisierung: „Zuwanderer gehören nur in wenigen Ausnahmefällen zu den Gewinnern eines Spaltungsprozesses, der längst die ganze Gesellschaft erfasst hat.“ (Buttwegge; In: Buttwegge, Hentges, 2009, 74)
Fotocredit: Franziska Lehner/Habibi Kochabend
Quellen
- Galtung, Johan: Globale Migration. In: Butterwegge, Christoph; Hentges, Gudrun (Hrsg.): Zuwanderung im Zeichen der Globalisierung Migrations-, Integrations- und Minderheitenpolitik. 2009, 4. Auflage.
- Han, Petrus: Soziologie der Migration. Erklärungsmodelle, fakten, politische Konsequenzen, Perspektiven. Lucius & Lucius, Stuttgart 2005, 2. Auflage.
- Reinprecht, Christoph; Weiss, Hilde: Migration und Integration: Soziologische Perspektiven und Erklärungsansätze. In: Migrations- und Integrationsforschung – multidisziplinäre Perspektiven. Ein Reader. 2012, 2. Auflage.
- Treibel, Annette: Migration in modernen Gesellschaften. Soziale Folgen von Einwanderung, Gastarbeit und Flucht. Weinheim/München, 2011, 5. Auflage.