„Das Leben hier ist anders, aber ich mag es.“

Zwei junge Männer aus Syrien sprechen über ihre Suche nach Freunden, Träume und die Angst der Österreicher.

 

„Wien war mir schon ein Begriff. Aber ich wusste nicht, dass es die Hauptstadt von Österreich ist“, sagt Azizi aus Syrien. Der junge Mann mit Brille und akkurat geschnittenen Haaren ist vor zirka eineinhalb Jahren nach Österreich gekommen. Heute wohnt er in einer Wohnung der Pfarre Krim im 19. Bezirk, spricht Deutsch und engagiert sich für andere Flüchtlinge. Er ist ein Habibi, was so viel wie Freund auf Arabisch heißt. So nennen sich alle Freiwilligen die beim Flüchtlingsprojekt „Habibi“ der Pfarre Krim aktiv sind.

In seiner Heimatstadt Damaskus studierte Azizi Management, hatte Familie, Freunde und eine Beschäftigung. Hier in Österreich musste er sich alles neu aufbauen: „Ich hatte kein Geld, keine Familie, keine Freunde. Das war hart. Aber jetzt noch einem Jahr passt alles.“

@Franziska Lehner
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Warten und Hoffen

Neun Monate musste Azizi auf seinen positiven Asylbescheid warten. Eine Zeit in der er nicht wusste, ob er nach Syrien zurück muss oder in Österreich bleiben kann. „Ich hatte nichts, kein Geld, keine Wohnung, gar nichts. Die Habibis haben mir geholfen“, sagt der 26-Jährige.

Beziehung hilft

Während Azizi das erzählt schaut er zu Gabi und Valentin. Die beiden HelferInnen sitzen mit dem jungen Mann am Tisch, nicken mit ihren Köpfen wenn er erzählt, helfen bei fehlenden Vokabeln oder die richtigen Fragen zu stellen. Gabi ist Lehrerin, Valentin ein Student. Gemeinsam gestalten sie mit Assisi einmal pro Monat ein interreligiöses Friedensgebet. „Integration spielt sich vor allem über zwischenmenschliche Beziehungen ab“, sagt Valentin. Dazu gehören für ihn ein Gebet von ChristInnen und MuslimInnen genauso, wie ein Fest oder gemeinsames Essen. Die Initiative wurde im Herbst 2015 ursprünglich als Geld- und Sachspendensammlungen gegründet. Dann kam die Suche nach Wohnungen für AsylwerberInnen dazu und zwei Notquartiere. Heute bietet „Habibi“ Wohn-, Lern-, Buddy-, Sozial-, Job- und Integrationsprojekten an.

„Reden wir über Freunde…“

@Franziska Lehner
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Bilal ist seit einem Jahr in Österreich, seit September 2016 ein Habibi und sucht österreichische Freunde. Um die zu finden stellte sich der 24-Jährige im Sommer 2016 mit einem Plakat auf die Mariahilferstraße in Wien. „Anyone help me to find Austrian friends?“ stand auf dem Plakat. Bilal wartete eine Stunde auf Reaktionen, aber niemand sprach ihn an. Trotzdem meint er: „Ich fühle mich, als wenn ich träume. Europa war schon lange mein Traum.“ Bilal gefallen die Natur, die sauberen Straßen und Gebäude und auch die Menschen. „Das Leben hier ist anders, aber ich mag es“, sagt der junge Syrer. Warum ihn keiner angesprochen hat weiß er nicht, er vermutet Angst: „Ich glaube, dass die Menschen Angst vor uns Arabern haben.“

Azizi erzählt Ähnliches. Bei seiner ersten Arbeitsstelle in Wien hoffte er Freunde zu finden: „Reden wir über Freunde. Ich hatte einen Job hier in Wien und die KollegInnen redeten nicht mit mir. Weil ich ein Flüchtling bin.“

Nicht freiwillig in Österreich

Azizi und Bilal leben seit zirka einem Jahren in Österreich, als Flüchtlinge und nicht freiwillig. Beiden wären lieber als Student oder Urlauber gekommen. „Ich wegen der Umstände musste nach Europa, sonst hätte man mich getötet oder ich hätte der Armee beitreten müssen. Es war nicht meine freie Entscheidung nach Österreich zu kommen“, stellt Azizi klar

@Franziska Lehner
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Heute sitzen die beiden jungen Männer in der Pfarre Krim selbstbewusst am Tisch. „Wenn ich mir selber vertraue geht alles leichter“, sagt Azizi. Der 24-jährige Bilal stimmt ihm zu: „Ich glaube, dass dieses Land einem alles geben kann was man will. Du brauchst nur Power und einen Traum.“ Er träumt als Fremdenführer in Wien zu arbeiten und nach fünf oder sechs Jahren die österreichische Staatsbürgerschaft zu erlangen. Er wäre gerne ein „austrian guy“, meint Bilal. Azizi wünscht sich mehr Respekt: „Ich bin Flüchtling, ja. Aber nicht alle Flüchtlinge sind schlecht. So wie nicht alle ÖsterreicherInnen gut sind. Also rede einfach mit mir, lerne mich kennen.“

 

 

 

Fotos: Franziska Lehner

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