Angelika Welebil, Diakonie

„Ich verstehe das Wort Integration immer weniger.“

Integration und Ankommen läuft in Österreich bürokratisch und starr ab, meint Angelika Welebil. Die Einrichtungsleiterin der Basis Zinnergasse „Macondo“ fordert ein Umdenken in der Politik und ein beweglicheres Integrationssystem.

 

Angelika Welebil, Diakonie
Angelika Welebil, Foto: Diakonie

Was ist Integration?

Angelika Welebil: Ich verstehe das Wort Integration immer weniger. Es sollte eigentlich um etwas Gemeinschaftliches gehen. Aber im Moment wird unter Integration Assimilation verstanden: alle sollen so werden wie wir. Dazu kommt, dass es kein Bild gibt was dieses Wir eigentlich ist.

Haben Sie einen Vorschlag?

Nach meiner Erfahrung sind die meisten Menschen so wie wir. Mit dem Unterschied, dass sie ein Kopftuch tragen oder so. Auf der anderen Seite können wir vieles von der arabischen Kultur lernen. Wir bekommen von vielen KlientInnen ständig etwas zu Essen geschenkt, da das Schenken, Spenden und Geben bei ihnen selbstverständlicher erscheint. Das kenne ich von ÖsterreicherInnen nicht.

Wird Integration in Österreich zu eng definiert?

Integration heißt meistens, dass die Geflüchteten so schnell wie möglich Geld verdienen, so schnell wie möglich Deutsch lernen und am besten alles was sie vorher hatten und wussten vergessen sollen. Das finde ich nicht richtig.

Was ist an Deutschlernen schlecht?

Nein, gar nichts. Ich glaube, dass es für die Geflüchteten gut ist, schnell gefordert zu werden. Aus meiner Erfahrung brauchen die Menschen Beschäftigung und wollen auch arbeiten. Aber ich glaube nicht, dass ein Mensch besser integriert ist, nur weil er eine Arbeit hat. Deutschkurse und Arbeit sind sicher wichtige Faktoren, da sich die Menschen selbst erhalten und ein erfülltes Leben haben wollen. Und dazu gehört für die meisten auch eine Arbeitsstelle.

Aus meiner Erfahrung brauchen die Menschen Beschäftigung und wollen auch arbeiten. Aber ich glaube nicht, dass ein Mensch besser integriert ist, nur weil er eine Arbeit hat.

Was muss in Österreich im Integrationsbereich noch verbessert werden?

Die Politik behandelt Integration sehr starr und bürokratisch. Worunter die Betroffenen und die Helfenden sehr leiden. Es wird immer schwieriger zu den Inhalten zu kommen. Es gibt mittlerweile acht verschiedene Karten, die eine Person die nicht aus Österreich stammt, erlangen kann. Ich habe nicht das Gefühl, dass die Politik hier vereinfacht, sondern erschwert. Und ich denke, dass das Thema Integration für Wahlkämpfe ausgenutzt wird und sich Politiker oft nicht auskennen oder Aslyberechtigte mit Asylwerbenden verwechseln.

Stichwort Obergrenze. Braucht Österreich eine Regulierung der Asylwerbenden?

Österreich hat die Genfer Flüchtlingskonvention unterschrieben. Ich bin der Meinung, dass Österreich die Verpflichtung hat Menschen in Not aufzunehmen. Das gilt für jedes andere Land, die die Konvention unterschrieben hat. Für mich ist die Obergrenze eine Wahlpropaganda. Die Politik schürt mit dem Wort Einwanderungswelle Angst. Dazu kommt, dass Fehler von AsylwerberInnen oder Asylberechtigten aufgeblasen werden. Das ist furchtbar. Es ist wie ein Spiel: zuerst macht die Politik den Menschen Angst und dann sagt man ihnen, dass sie durch Obergrenzen geschützt werden.

Die Politik schürt mit dem Wort Einwanderungswelle Angst.

Was passiert in Macondo?

Wir sind ein gemeinwesenorientiertes Integrationsbüro und bieten Sozial-, Integrations-, Bildungs- und Berufsberatung an, aber auch Deutschkurse für Erwachsene und Lernbetreuung von Kindern. Hier in Macondo versuchen wir mit den BewohnerInnen gemeinsam zu arbeiten, um ihre Wohnumgebung zu besser zu gestalten.

Was kann ich mir unter einer Integrationsberatung vorstellen? Worum geht es da?

Es geht vor allem um bürokratische Dinge, wie man zur E-Card oder zum Busticket kommt. Wir beraten bei Fragen rund um die MA 40 oder das AMS und bei privaten Problemen, wie Scheidung. Wir versuchen dann zu helfen, Vorschläge zu machen, aber niemanden zu etwas zu drängen.

Das hört sich sehr bürokratisch an. Ist Integration in Österreich ein rein bürokratischer Ablauf?

Wenn man nach Österreich kommt steht man vor wahnsinnig vielen bürokratische Hürden. Die schafft man fast nicht alleine. Ich glaube, dass die Bürokratie in Österreich ein großer und wichtiger Schritt für die Ankommenden ist, damit man mal ins System hineinkommt. Wenn das geschafft ist können sich die Menschen selber weiterhelfen. Noch wichtiger sind aber die gemeinsamen Aktionen.

 

Wohin soll Integration führen? Was bringt Integrationsberatung?

Im besten Fall führt die Integrationsberatung zu einem zufriedenen Leben der Klientinnen, in dem sie sich selbst erhalten können und sich so bewegen können, wie sie es brauchen. Darunter fällt auch, dass sie ihren Kindern die Möglichkeiten bieten können, die wir unseren Kindern geben können.

Haben Sie in Ihrer Arbeit das Gefühl, dass ihre KlientInnen sich integrieren wollen?

Oh ja. Es gibt sicherlich Ausnahmen, aber auch in Österreich gibt es Menschen, die sich nicht anpassen wollen. In meiner Arbeit sehe ich, dass die Menschen sehr bemüht sind Deutsch zu lernen oder ÖsterreicherInnen kennenzulernen. Es gibt sehr viel Motivation.

Die Herausforderungen kommen dann, wenn wir Geflüchteten keine psychologische Betreuung zukommen lassen.

Welche Herausforderungen kommen auf Österreich zu?

Die Herausforderungen kommen dann, wenn wir Geflüchteten keine psychologische Betreuung zukommen lassen. Die Traumata durch die Kriegserlebnisse und Flucht werden in Österreich bisher übersehen. Vor allem die Kinder leiden darunter. Ich finde es unverantwortlich, dass in diesem Bereich nichts gemacht wird. Ein anderes Thema ist die Anerkennung von Ausbildungen. Ein Handwerker aus Syrien erhält am Ende seiner Ausbildung kein Zertifikat, ist aber ein guter Handwerker. In Österreich erhält er aber keine Arbeit, da er keine offizielle Ausbildung hat. Hier muss dringend etwas geändert werden, weil das Potential ist da.

Zur Person: Angelika Welebil ist Einrichtungsleiterin in der Basis Zinnergasse, einer Einrichtung des Diakonie Flüchtlingsdienstes. Zuvor arbeitete sie als Lektorin für den Österreichischen Austauschdienst und Deutschtrainerin.

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